Immer mal wieder kommen Kunden zu mir, die ein Coverup wollen, weil sie mit ihrer ursprünglichen Tätowierung nicht zufrieden sind. Während das Gro dieser Motive tatsächlich eher in den.. sagen wir mal.. optisch schmerzenden Bereich fallen, sind auch immer wieder Arbeiten dabei die eigentlich ganz passabel sind, aber der Kunde trotzdem enttäuscht ist, weil der Tätowierer -häufiger O-Ton “Eigentlich ansonsten total schöne Tattoos macht”

Häufig höre und lese ich auch eine gewisse Verunsicherung, wie man denn nun als Laie einen guten Tätowierer findet.
Und ja, zugegeben sooo superleicht ist das tatsächlich nicht. Es gibt alleine hier in meinem Einzugsgebiet hunderte von Tattoostudios bzw. Tätowierern und da kann es einem ziemlich schwer fallen überhaupt mal irgendwo anzufangen.

Als jemand der als Illustratorin einen vollkommen anderen Background zur ganzen “Tattooszene” (ich nutze den Begriff einfach der Lesbarkeit halber) hat, und eher auch wie die Jungfrau zum Kinde dazu gekommen ist, erlaube ich mir einfach mal euch ein wenig bei der Findung eines für euch geeigneten Tätowierers/Studios zu helfen.
Leider muss ich dazu erst einmal ein bisschen ausholen, bevor ich dann wieder zur Eigangsfrage zurückkommen kann.

Ich denke dass Allerwichtigste ist.. Tätowierer sind keine Halbgötter in Schwarz!
Sehr häufig erlebe ich es, dass der Beruf des Tätowierers oder die Personen dahinter auf eine zuweilen übertriebene Art und Weise glorifiziert und dementsprechend selten Informationen undifferenziert betrachtet werden. Und sowas kann auch nach hinten losgehen..

Ihr müsst bedenken, bei uns in Deutschland darf absolut jeder der sich dazu bemüßigt fühlt tätowieren.
Und ja, er darf das sogar entgegen einem landläufigen Irrglauben von zu Hause tun. Alles was man dafür braucht ist ein Gewerbeschein, ein eignes Zimmer und (so bleibt es zu hoffen) die Abnahme der Räumlichkeiten vom Gesundheitsamt. Welches im übrigen nicht spontan vorbeischaut sondern extra herbeordert werden muss ;_)
(Achtung! Ich spreche hier für den bayrischen Raum. Wie es in anderen Bundesländern gehandhabt wird entzieht sich meiner Kenntnis)
Hygiene und ein grundlegendes medizinisches Verständnis, künstlerische und/oder technische Befähigung etc – all das wird nicht geprüft und spielt für den Erhalt des Gewerbescheins nicht von Belang.

Auch wenn ich mich damit vielleicht unbeliebt mache.. aber auch die Zeit, die jemand tätowiert spielt erstmal keine so grosse Rolle!
Wieso? Ganz einfach.. wenn ihr euch überlegt aus welchen Bereichen sich das Tätowieren sozusagen in den Mainstream “gearbeitet” hat sollte euch das schon mal stutzig(er) machen.
Jemand der seit 25 oder 30 Jahren tätowiert mag vielleicht grundsätzlich einen grossen Erfahrungsschatz haben, daß möchte ich niemandem absprechen.. Es sagt aber leider nichts über die künstlerische Befähigung und vor allen Dingen nichts über das Verständnis für Hygiene aus… neue Erkenntnisse werden gern als “neumodischer Scheiss” abgetan weil “Noch nie was passiert ist” und “Das früher auch alles so gegangen ist”
Für mich persönlich ist so eine Einstellung in einem Beruf der mit der Gesundheit von Menschen spielt ein absolutes No Go.
Auf der anderen Seite gibt es aber wieder all die “Newcomer” (dämliches Wort, finde aber grad kein Besseres) die entweder komplett ohne Ahnung einfach mal drauf los tackern und nachplappern was sie irgendwo aufgeschnappt haben. Solche, die das zwar in einem Tattoostudio “richtig” gelernt haben, allerdings die Bude ne Gurkenschmiede war und die Qualität dessen was beigebracht wurde eventuell nicht unbedingt so hoch war und diejenigen die entweder das seltene Glück hatten, einen tollen Mentor zu haben oder sich durch Interesse und viel Mühen/Kosten selbst das nötige medizinische und /oder künstlerische Wissen beigebracht haben.

Und genau diese mannigfaltigen “Wege zum Tätowierer werden” sorgen unter Andrem auch für dieses “Frage 10 Tätowierer und erhalte 15 verschiedene Aussagen

Ich würde vermuten.. spätestens jetzt fragt ihr euch, was der Beitrag überhaupt für einen Sinn hat, wenn ich hier alles so total demontiere. Das mag schon so klingen.. aber ich sehe es eher als einen Denkanstoß für euch, damit ihr eigenverantwortlich handelt/denkt  und nicht blind einfach alles hinnehmt was man auch vorkaut.
Und ich finde einfach.. dafür ist es wichtig, auch mal einen nicht ganz so positiven Einblick zu erhalten.

Wie also finde ich einen guten Tätowierer oder ein gutes Studio?

Mit Geduld… und ernsthaftem Interesse am Thema “Tätowierung”
Es würden nicht halb so viele Gurkenschmieden aus dem Boden schiessen wenn ihr als Kunden etwas mehr Eigenleistung in die ganze Thematik stecken würdet… Klingt biestig, is aber so.

Zunächst einmal macht es Sinn, sich mit seinem Motivwunsch auseinanderzusetzen. Ihr möchtet z.b. einen Schmetterling.
Also solltet ihr ein bisschen recherchieren.. soll der denn realistisch sein? Malerisch? Abstrakt als sketchy Version oder lieber mädchenhaft schnörkelig? Oder gefällt euch der Ornamentikstil? Vielleicht doch lieber Comic?

Es ist ein absoluter Irrglaube (und da haben wirs dann wieder mit den Halbgöttern in Schwarz) das ein Tätowierer alles kann. Und wenn ihr mal einen Moment drüber nachdenkt… dann ist das doch auch ganz schön logisch..
Wenn ihr Zahnschmerzen habt.. geht ihr dann zum Frauenarzt? Sind beides Ärzte aber mal ehrlich.. auf so eine Schnapsidee würde doch im Leben keiner kommen 😉

Die meisten guten Realistiker können zwar perfekt Fotos auf die Haut kopieren, sind aber im Allgemeinen nicht in der Lage eine gerade Linie zu ziehen, geschweige denn, dass sie auf dem gleichen Level zeichnen können.
Ein geometrischer oder Ornamentik Schmetterling könnte also eher nach hinten losgehen.

Andersrum genauso, jemand der als Hauptfeld superschöne, symmetrisch perfekte Ornamentik hinlegt, ist eventuell mit einem Realistic vollkommen überfordert, weil es auch hier einige verschiedene Techniken gibt.

Ihr solltet euch also immer einen Tätowierer oder ein Studio auswählen das im Schwerpunkt “euren” Wunschstil hat.
Natürlich ist nicht alles Schwarz und Weiß, und bis zu einem gewissen Grad verschwimmt das natürlich auch. Es gibt jede Menge toller Kollegen die in mehr als eine Richtung gut sind.. ABER wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel und ein verantwortungsvoller Tätowierer lehnt Motive ab, bei denen er sich unsicher ist, und schaut nicht nur aufs Geld.
Eventuell wird er euch auch einen Kollegen empfehlen, der für euren Wunsch deutlich besser geeignet ist.

Nehmt euch die Zeit, sucht euch in einem Radius den ihr in Kauf nehmen mögt (macht euch aber bewusst dass ihr je nach Motiv- bzw. Stilwunsch schon auch mal mehr als 5km um die Ecke fahren müsst) Studios raus, die ihr gut findet oder fragt in hochwertigen FB Gruppen wie “Tattookunst” (meines Erachtens die Einzige mit Niveau…) nach Empfehlungen.
Schaut euch die Tattoos in eurem Freundeskreis mal bewust an.. ist da eine Arbeit die euch gut gefällt? Dann fragt eure/n Bekannte/n wer der Tätowierer war.

Habt ihr eine kleine Auswahl dann, begebt euch ins Internet und schaut euch die Arbeiten der Tätowierer an… Nicht einfach nur überfliegen sondern bewusst ansehen.

Generell – Sind die Linien gerade und satt? Oder wabbelig und wackelig?

Bei grafischeren/ornamentik Arbeiten – sind die Motive weitestgehend symmetrisch? Wurde Wert auf gleichmässige Abstände gelegt?
Selbstverständlich ist ein Tätowierer auch nur ein Mensch und keine Tätowierung perfekt.. Aber wenn jede Linie ungleichmässig oder nicht zueinanderpassend ist könnte man die Vermutung anstellen, dass vielleicht nicht ganz soviel Motivation bei der Sache war..

Bei Realistic/Comic Motiven – sind die Kontraste gut, die Schattierungen richtig gesetzt? Stimmt die Anatomie/Perspektive (Achtung! Als Laie ist gerade Letzeres sehr sehr schwer zu erkennen. Daher ein Tipp.. habt ihr das Gefühl “irgendwie passt das nicht so ganz” dann ist dieses Gefühl meistens richtig…)
Wenn es euch wichtig ist, dann achtet im Vorfeld darauf ob der Tätowierer zeichnen und/oder malen  kann und schaut euch auch diese Arbeiten an.

Bitte habt immner vor Augen dass im Social Media gern mal and den Kontrastregeln geschraubt wird und so manches Tattoo etwas zu viel “Photoshop Liebe” erhalten hat..
Versucht also auch Fotos von verheilten Tattoos zu Gesicht zu bekommen. Die sind im allgemeinen sehr viel aussagekräftiger..

Aber es gibt bedauerlicherweise noch mehr Dinge zu bedenken…(Boah ernsthaft? Ich hab ja jetz eigentlich schon keinen Bock mehr!)

Es wird immer wieder propagiert das die Wartezeiten ein Indikator für Qualität sind.. und genauso oft zieht es mir die Zehennägel dabei auf…

Natürlich gibt es “große Namen” und sehr gute Kollegen die auf ein Jahr oder länger ausgebucht sind, aber häufig sind auch Tätowierer, die einfach alles stechen oder in einer besonders guten Lage sind auf längere Zeit ausgebucht.
Große, mediale Namen sind grundsätzlich ausgebucht weil sie große, mediale Namen haben 😉 Was im Übrigen vollkommen ok ist. Wie auch bei Kunstsammlern gibt es Menschen, die gerne Tattoos von bekannten Namen sammeln – nicht falsch verstehen. Nur ist einfach die Bekanntheit nicht immer zwangsläufig mit Qualität gleichzusetzen.
Im Gegensatz dazu gibt es Custom Tätowierer , die einfach nicht jedes Projekt annehmen oder eher ein Geheimtipp sind und deswegen sehr überschaubare Wartezeiten haben.
Bei mir wartet man z.b. aktuell selten länger als 4 Wochen für grosse Tattoos und ich behaupte mal ganz frech.. sooo grottig bin ich nu auch nicht 😉

In Walk-in Studios z.b. erhält man, wie der Name schon sagt ohne Wartezeiten sein (meistens eher populäreres, kleines) Tattoomotiv. Und nicht alle davon sind schlecht.

Ein gutes Studio macht einen sauberen, ordentlichen Ersteindruck und man sollte Dich freundlich empfangen.
Ein dahingerotztes “Was willstn?” quer über die Theke ist unter Umständen ein Indikator dafür das man Dich und deine Wünsche eventuell nicht besonders ernst nehmen wird.

Überlege Dir auch vorher ,wie wichtig Dir ein eigener Beratungstermin ist. Viele gute Studios bieten das nicht an. Ich persönlich mag sowas überhaupt nicht, auch schon damals als “normaler Kunde” nicht, weswegen es bei mir ausschlieslich Beratungstermine gibt.

Egal wie das Studio/der Tätowierer diese Sache aber handhabt, er/sie sollte sich Zeit für Deine Beratung nehmen.
Eine gute Beratung besteht übrigens nicht einfach nur aus Motiv, Geld und Terminvereinbarung, sondern auch aus medizinischen Themen wie Vorerkrankungen, Risiken, einer Erklärung des Ablaufs usw.
Man sollte im Anschluss dessen aber auch nicht dazu gezwungen werden einen Termin zu vereinbaren bzw. eine Anzahlung zu leisten sondern man sollte Dir die Möglichkeit lassen zumindest eine Nacht darüber zu schlafen.

Seid mutig während der Beratung und fragt auch von euch aus z.B. nach dem Ablauf der Sitzung, nach verwendeten Materialien, Farbenhersteller etc.
Die meisten Tätowierer werden dann vielleicht überrascht sein, aber einige werden sich freuen, dass endlich mal jemand da ist, der sich auch mit der Thematik beschäftigt hat.

Ja ich weiss.. manche Tätowierer san scho g’scheide G’stalten und irgendwie fühlt man sich eh schon komisch.. ABER es ist eure Gesundheit und eure Haut!
Wer keine Lust hat, euch umfassend zu beraten, pampig oder unhöflich reagiert oder von euch erwartet eine Vorlage mitzubringen ist eventuell nicht unbedingt ein geeigneter “Geschäftspartner”

Wenn ihr nicht gerade einfach nur ein kleines “Tattüüchen” möchtet, kostet euch der ganze Spass eine Stange Geld, und ein bisschen Service bzw. Freundlichkeit darf es da schon sein, oder nicht?

So blöde es klingt.. hört wirklich auch auf euer Bauchgefühl. Wenn ihr euch nicht wohlfühlt, dann nehmt erst einmal Abstand davon und/oder schlaft ein paar Nächte drüber.

Es bringt euch nichts, wenn ihr zwar alle Tipps oben befolgt habt, die Arbeiten super sind, der Tätowierer zum Wunschstil passt – aber die Chemie einfach nicht stimmt.

Unterm Strich könnt ihr bei allen möglichen Dingen im Leben Abstriche machen, aber nicht bei einem Tattoo, welches den Rest eures Lebens nicht nur auf eurem Körper bleibt, sondern ebendwelchen auch auf Immer verändern wird.

 

Disclaimer:
Bitte beachtet, ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und jeder Eintrag spiegelt meine persönliche Sicht der Dinge wieder. Diese muss nicht zwangsläufig konform mit der Eurigen gehen, basiert aber auf meinen persönlichen Erlebnissen.